Skulpturen 18.03. – 07.05.2023
Rainer Kessel
Von Anbeginn der Zeit begleiten uns figürliche Darstellungen.
Der Mensch macht sich ein Bildnis. Er vergewissert sich seiner Selbst.
Rainer Kessel ist als Bildhauer klassisch unterwegs und bewahrt die Traditionen des Bildnerischen. Seine Skulpturen, im Besonderen seine Bronzen sind von schlichter Schönheit, sie überzeugen auf den zweiten Blick, suchen nicht den schnellen Effekt.
Das archaische ist ihnen innewohnend. So könnte der „Helmkopf“ ein Fundstück aus der griechischen Geschichte sein, aus den trojanischen Kriegen. Helm und Kopf sind verwachsen, einem Zweck dienend, dem Kampf, materiell und ideologisch sind sie eine Einheit geworden.
Oder die „Athene“, olympische Göttin der Weisheit und des Kampfes, aber auch der Kunst. Manchmal kann sie sich nicht entscheiden.
So ist ein Teil seiner Arbeiten historisierend, ein anderer Teil mutet historisch an, wie aus der Zeit gefallen, wie etwa „Don Quichot und Sancho Pansa“, der ewige Widerspruch zwischen Festhalten am Bekannten und weiterziehen zu neuen Ansichten. Klein und groß, dick und dünn, klug und dumm, es braucht diese Polarität, diese Eins braucht das Andere um zu existieren.
Wir ziehen auf dem ständigen Weg in die Moderne immer unsere Geschichte mit, insbesondere den ungelösten Teil. Oft ist es nicht der vermeintliche Goliath, der obsiegt, oft findet sich ein „David“, selbstbewusst, herausfordernd und über sich herauswachsend, sie sind in die Geschichte der Menschheit eingebunden.
So zieht auch der Bildhauer Rainer Kessel die Geschichte seiner Figuren mit, lasst sie Revue passieren und bekennt sich auf dem Weg immer wieder zu seinem Lehrer Prof. Jo Jastram, dessen Meisterschüler er war.
Dem Bildhauer Rainer Kessel gelingt es aber vor allem, dem Alltäglichen Humorvolles abzugewinnen. Kleine Schrulligkeiten wie in „Kalter Morgen“ oder der „Zögerlichen“ durchziehen sein Schaffen. Einfache Geschichten, die sich im Jetzt und Hier abspielen.
Im Kleinen das Große humorvoll darzustellen, ist eine hohe Kunst. Scheinbar Belangloses wird auf die große Bühne gebracht und kulminiert in der kleinen und großen „Karawane“. Nichts ist belangloser, als dass Katze und Ziege einem Mädchen folgen, doch gerade darin liegt die pure Lebensfreude. In diesen Bronzen findet das Leben statt, die Figuren sind anmutig, liebenswert und schön.
Kessel könnte selbst der „YOYO – Spieler“ sein, genüsslich das Leben beobachten, das, was ist und das, was kommt. Vielleicht die Begegnung mit einer „Windsbraut“ oder mit „Vater und Sohn“ oder einem „Zentauren“ vielleicht.
Es fehlt meist jegliches Pathos in der Szenerie, die Figuren genügen sich selbst, das ist in der Kunstszene sehr selten geworden, wo doch sonst der große Auftritt das Ziel ist und nicht das eigentliche Kunstwerk. Ein fast philosophisches Werk stellt da die Frage “Wohin gehst Du Europa“?
In unglaublicher Schlichtheit wird hier eine politische Frage höchster Dimension aufgeworfen. Plötzlich wird Kunst nachhaltig, wirkt tief ins Bewusstsein hinein, bekommt eine epochale Dimension.
Doch schon im nächsten Moment begegnen wir wieder dem feinen Humor des wirklich Wichtigen im „Trommler„ oder „Boule“. Dann ist da noch die Skulptur mit dem Titel „Zweisam“. Wieder so eine in sich ruhende Partnerschaft der Stille. Groß und klein auf einem Balken kauernd, nichts weiter und doch wieder das ganze Leben ergreifend. Jung und Alt sitzen nebeneinander, sind jeweils Teil des anderen und schauen ohne Erwartung in die Zukunft, die garantiert kommen wird. Sie sind gelassen, ohne Aufregung, nur bei sich selbst, so wie der Künstler selbst eine große Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Rainer Kessel ist ein herausragender Bildhauer, ein Geschichtenerzähler. Er schafft es seine Figuren auf die Essenz einer Geste, eines Gefühls, einer marginalen Botschaft zu reduzieren.
Rainer Kessels Arbeiten haben eine äußerst individuelle Handschrift und einen hohen Wiedererkennungswert, sie sind künstlerisch einzigartig und etwas Besonderes.
Franz N. Kröger