CHRISTINE ELKE SIML
» … dieser Fülle und Vitalität Kargheit entgegenzusetzen, schafft den breitesten Spannungsbogen in mir … So sind die Bilder die Vereinfachung gegenüber der Kompliziertheit und atemberaubender Vollkommenheit der Natur.«
Die Arbeiten von Elke Siml besitzen eine bemerkenswerte Eigenständigkeit in der Kulturlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns.
Das Zeichnerische spielt in den Werken von Elke Siml eine große Rolle. Die Zeichnung als elementarer Bestandteil eines umfassenden Bildes ist für sie eine der Möglichkeiten, unmittelbar innere Zustände, momentane Physis wiederzugeben, sich selbst in ihrer Aktion und Reaktion vor Augen zu führen. Die Zeichnung registriert jede Erschütterung, jeden Augenblick des Innehaltens, des Horchens, der Orientierung.
In besonderer Weise ist das Papier seit Jahrhunderten in Ostasien dienstbares Material künstlerischer Äußerungen, vor allem kalligrafischer Zeichnungen – auch Elke Siml ein inspirierendes Moment. Zuweilen sind die von der Künstlerin verwendeten Papiere hauchdünn, durchscheinend. Im Format ist die Künstlerin nicht festgelegt. Es gibt mit sehr viel Akribie gefertigt kleinere Papiere, sehr verletzlich in Material und Duktus, als auch größere. Möglicherweise besitzen die Farben funktionellen Charakter: Ocker und Gelb sind oft die Basisfarben in Bildern, die die Linie betonen; Schwarz oder dunkles Braun kontrastieren dann die Fläche, andere Farben werden eher sparsam oder in ihrem Farbwert gebrochen eingesetzt.
In dem Bild »Durchdringung« von 1992 (S. 24), befindet sich ein karges Lineament, eine eindrucksvolle Beschreibung von Landschaften. Andere Bilder besitzen ebenfalls diese einfachen rethorischen Zeichen, in denen eine Linie das dominierende Element ist; in Form und Bögen, als Reihung von Geraden, das Maß für eine Umgrenzung oder als frei uferndes Gebilde. Die Linie lässt das Werden, den Weg nachvollziehen. Den Prozess des Werdens künden ebenso die vielfach sich überlagernden Malschichten, die collagierten, entrissenen und neu eingesetzten Farbstücke, die Verletzung des Papiers, die symbolischen Vernähungen von Wunden an. Ein Kreislauf von Schöpfung und Vergehen (Vernichtung) ist hier ahnungsvoll vorhanden.
Elke Siml benutzt das Wort als kongeniales Medium, nicht aber, um zu interpretieren. Das Elementare bedarf im Grunde genommen keines zweiten Mittels, um erlebt zu werden. Das Visuelle hat seine eigene Energie, es vermittelt die Sinnfälligkeit unserer Welt – über dem Weg künstlerischer Zeichen.
vor dem wort
waren das a und o –
zwei laute des staunens
aaaa ooo
also der wahrnehmung
noch vor der tat
e und i laute der differenzierung
m genießen oder verdauen
u des abschiednehmens
also bedeutet mama
staunen und verdauen
um der abschied mit genuss
o i staunen mit differenzierung
das ei trägt beide laute der
teilung in sich
mehr ist eigentlich nicht zu
begreifen